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Lagebericht: Es gibt derzeit keine gesamtjemenitische Lage, sondern nur fragmentierte politisch/militärische Situationen.

Hadramaut und Mahra: kein Kriegsgeschehen, wachsende Dominanz von alQaida, welche die Sicherheitslage, die Küste und die Wirtschaft kontrolliert. Zerstörungen von historischen Sufi-Heiligtümern und Heiligengräbern durch alQaidaim Stil von Daasch.

alJauf, Marib, alBeidha, Shabwa: Kampfhandlungen zwischen den Truppen der saudischen Allianz und Söldnern (Stammesleute und von der Allianz ausgebildeten und bezahlten Jemeniten) und den Milizverbänden der Houthis. Die saudische Allianz hat einen Stützpunkt in Safer, der Energiezentrale des Jemen, errichtet und versucht von dort aus, Sana´a in die Zange zunehmen, hat bisher jedoch trotz grosser Überlegenheit an Material-und Personeneinsatz keine nennenswerten Fortschritte erzielt, sondern empfindliche Verluste erlitten. Mögliche Ursachen: Unerfahrenheit und fehlende Motivation der saudischen Truppen, Divergenzen in der Kommandozentrale (wiederholt friendly fire), fehlende Ortskenntnis.

Saada, Amran, Hajja, Sana´a, Sana´a-Umgebung, Dhamar, Hodeidah: militärisch in der Hand der Houthis/Saleh. Nur in Hodeidah grössere Aufstände der Bevölkerung gegen die Houthi-Saleh-Besatzung. Sana´a, Sana´a-Umgebung und Saada unter ständigem, die anderen Provinzen unter gelegentlichem Bombardement der saudischen Luftwaffenallianz. Seit nunmehr sechs Monaten Terror aus der Luft, wenig Kampfhandlungen am Boden. Die Bevölkerung ist extrem aufgebracht gegen Saudi Arabien und unterstützt zunehmend die Houthis. Da die militärischen Ziele seit Langem zerstört sind, gelten die Luftattacken nunmehr der Infrastruktur und rein zivilen Bereichen. Die Zahl der zivilen Opfer beträgt derzeit mindestens 2.000 Todesopfer, darunter 500 Kinder. Keine Feuereinstellung zum Feiertag Eid alAdha, zunehmende Blockade der Stadt Sana´a. Alle Brücken, die von Sana´a nach Norden, Westen und Osten führen, wurden gesprengt, daher keine Lieferungen von Öl, Gas, Lebensmitteln, Medikamenten nach Sana´a. Belagerung wie zuvor in Aden.

Taizz, Ibb: intensive Kämpfe zwischen Houthis-Saleh Milizen und „Muqawama“, den örtlichen Widerstandsmilizen. Taizz ist weitgehend zerstört; erbitterte, blutige Straßenkämpfe zwischen den Parteien mit hohen Opferzahlen, dazu Bombardierungen der saudischen Allianz mit vielen Fehltreffern, Zerstörung vieler Krankenhäuser, kaum medizinische Versorgung der Verletzten; abwechselnde Dominanz der beiden Kriegsparteien.

Aden, Lahij, Abyan, alDhale: nur in alDhale, an der Grenze zu Ibb, noch stärkere Kriegshandlungen, sonst keine Kampfhandlungen nach Rückzug der Houthi/Affasch. In Aden haben die Emirate die Herrschaft übernommen. Sie verhalten sich bisher zurückhaltend, haben zum Eid alAdha (24.9.) Geschenke und Lebensmittelspenden ausgegeben, Tanzfeierlichkeiten veranstaltet und versuchen, gute Stimmung zu machen. Über den Hauptstraßen hängen Transparente mit den Porträts der Emire von Dubai und Abu Dhabi mit der Beschriftung „Aden dankt den Emiraten für die Befreiung und die Spenden“.

Am 23.9. kam Abdrubbah Mansur Hadi mit einem saudischen Flugzeug nach Aden. Er wurde am Flughafen weder von Vertretern der Emirate, noch von Ministerpräsident Khaled Bahah, der seit Wochen mit einer Gruppe von Ministern in der Stadt ist und erste Versuche der Normalisierung betreibt, empfangen. Die Spannungen wischen Bahah und Hadi sind nicht mehr zu übersehen.

Hadi hielt eine Festtagsrede mit Hasstiraden gegen die Houthi/Affasch und dienerischem Dank an die saudische Koalition. Expräsident Saleh hielt auf seinem TV-Kanal alJamen aljaum eine Gegenrede, in der er staatsmännisch nationale Einheit gegen den Erbfeind Saudi Arabien proklamierte. Es schien, als sei der ganze Jemenkonflikt, der inzwischen die Region erfasst hat, wieder auf den Machtkampf der Erzrivalen Saleh und Hadi reduziert.

Hadi besuchte dann noch das Kraftwerk in Aden (seitdem gibt es überhaupt keinen Strom mehr) und Verletzte im Krankenhaus und leitete eine Ministerratssitzung, in der er dasselbe forderte, was Bahah seit Wochen umzusetzen versucht: Ein Vierpunkteprogramm, das folgende Massnahmen umfasst: Versorgung der Verletzten, Kompensation der Familien der Opfer, Auszahlung der seit drei Monaten einbehaltenen Gehälter und Integration der Muqawama in die Streitkräfte, Beginn mit dem Wiederaufbau.

Hadi verliess schon am 25. wieder Aden, um vor der UNO-Vollversammlung der saudischen Allianz einen Freibrief für die begangenen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen auszustellen. Er stösst dabei auf einen Sturm der Entrüstung nicht nur im Jemen, sondern inzwischen in vielen Ländern der Welt, die aufgrund der Berichte der Menschenrechtsorganisationen eine genaue Untersuchung aller Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen – sowohl der saudischen Allianz wie der Houthi-Affasch – fordern.

Die Stippvisite Hadis in Aden hat eindrücklich bewiesen, dass er keinerlei Rückhalt mehr im Jemen hat und er die beanspruchte Legitimation nur aus den UNO-Resolutionen, nicht aber aus dem jemenitischen Volk herleitet. Man wirft ihm auch vor, dass er bisher alle Friedensverhandlungen torpediert und dem jemenitischen Volk damit weiteres Leid zugefügt hat. Die sogenannten „pro-Hadi“-Krafte sind nicht nur militärisch sondern auch politisch eine Schimäre.

Besonders verhasst ist der erst kürzlich von Hadi ernannte Aussenminister Riadh Yassin, der sich als Hassredner profilierte und mit einer eigenen Plakataktion wohl höhere Weihen (die Position Bahahs?) für sich vorbereiten wollte.

Die labile Lage in Aden ist durch die Präsenz der Emirate nicht stabiler geworden. Zum totalen Stromausfall kommen Benzinknappheit, Stopp der Gaslieferungen und Anschläge – sowie vermehrtes Auftreten von alQaida.

Asir, Jizan, Najran: Das sind die drei Provinzen im Südwesten Saudi Arabiens, die jahrhundertelang jemenitisch waren und von ismailischen Stämmen besiedelt sind. Wenig beachtet von der internationalen Presse dringen die Houthi-Affasch als „nationale jemenitische Armee“, wie sie sich bezeichnen, immer weiter nach Saudi Arabien vor. Mit relativ primitiver Ausrüstung zerstören sie Panzer und andere Militärfahrzeuge, haben Apaches abgeschossen, Grenzwachtürme gesprengt und hohe Militärchargen getötet. Sie sind bis 80 km in saudisches Gebiet vorgedrungen. Da Videos der Kampfhandlungen (darunter das panische Fliehen saudischer Grenzeinheiten) regelmäßig im Internet landen, kann die Invasion nicht totgeschwiegen werden und löst bei vielen bomben-terrorisierten Jemeniten, auch solchen, die durchaus keine Houthi- oder Saleh-Anhänger sind, Schadenfreude aus.

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