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Kämpfen um die Vormacht im Jemen (von links): iranischer Präsident Hassan Rohani, Houthi-Führer Abdelmalik alHouthi, Expräsident Ali Abdullah Saleh, Präsident Abdrubbah Mansur Hadi, Präsident der Emirate Mohamed bin Zayed, saudischer König Salman bin Abdelaziz

Die UNO veröffentlichte am 17.2. 2017 den „Final Report of the Panel of Experts on Yemen“, der von einem Expertenpanel auf 242 Seiten die Wirkung der UNSR-Resolutionen 2140 und 2216 untersuchte und beschreibt. Der direkte Bezug auf die UNO-SR-Resolutionen, welche 2014 und 15 einseitig die Interessen der saudischen Koalition und der sogenannten legitimen Regierung vertraten, bewirkt auch eine gewisse Einseitigkeit der Berichte. Einseitigkeit deshalb, weil eben nur die unterstellten Waffenlieferungen des Iran an die Houthi, aber nicht jene der Golfstaaten, der USA und GB für Hadi, an alQaida und salafistische Milizen hinterfragt wurden, weil der Bericht nur die Sanktionen gegen Saleh und seinen Sohn sowie die alHouthi-Spitze untersucht, nicht aber die Finanztransaktionen von Hadi und seines Clans. Dennoch bringt der Bericht wichtige neue Erkenntnisse und Schlussfolgerungen. Vor allem beschreibt er relativ unparteiisch Verletzungen des Kriegsrechts, gegen die Menschlichkeit und der Menschenrechte von allen Kriegsparteien. Die wichtigsten Punkte des Berichts, kurz zusammengefasst:

  • Alle am Krieg beteiligten Länder und auch die Regierung Hadi sind verantwortlich für begangene Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Dies ist besonders wichtig, weil sich z.B. Saudi Arabien für den Anschlag auf die Begräbnisfeier in Sana´a mit 150 Toten und 600 Verletzten auf das Versagen eines Einzelnen ausredet. Die Schuldzuweisung  betrifft wohl auch die „Kollateralschäden“ an Zivilisten bei Drohnenanschlägen der USA:     „All States whose forces engage in or otherwise participate in military operations on behalf of the coalition are responsible for all acts committed by persons forming part of its armed forces. These States may not evade their obligations by placing their contingents at the disposal of an ad hoc coalition. All coalition member States and their allies also have an obligation to take appropriate measures to ensure respect for international humanitarian law by the coalition. This obligation is especially incumbent upon the Government of Yemen, upon whose request and with those consent the air strikes are being conducted“. 

    (in deutscher Übersetzung: „Alle Staaten, deren Streitkräfte militärische Unternehmen durchführen oder sich im Namen der Koalition an diesen beteiligen, sind für alle Aktionen verantwortlich, die von Personen durchgeführt werden, die Teil ihrer Streitkräfte sind. Diese Staaten können ihre Verpflichtungen nicht umgehen, indem sie ihre Kontingente einer ad hoc Koalition zur Verfügung stellen. Alle Mitgliedsstaaten der Koalition und ihre Alliierten sind ebenfalls verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, die Einhaltung internationaler humanitärer Bestimmungen seitens der Koalition zu gewährleisten. Diese Verpflichtung hat insbesondere auch für die Regierung Jemens Geltung, auf deren Ansuchen und mit deren Zustimmung die Angriffe durchgeführt werden.“) Das wird die Regierungen von Marokko und Ägypten freuen, die sich beizeiten aus dem Luftkrieg zurückgezogen haben. Hadi wird sich entsprechend der Empfehlung des Panels eines Tages wohl vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten müssen.

  • Der Luftkrieg der saudischen Koalition hat zwar die jemenitische Infrastruktur verwüstet und die Bevölkerung terrorisiert, aber er hat den Willen der Houthi-Saleh-Allianz nicht gebrochen, den Krieg fortzusetzen.
  • Die Angriffe der Houthi-Saleh auf Schiffe im Roten Meer haben das Risiko einer regionalen Ausweitung des Konflikts erhöht. Die Houthi-Saleh-Allianz hat hohe Kampffähigkeit im Seekrieg bewiesen.
  • Waffentransfer und Waffenschmuggel auf dem Seeweg aus dem Iran an die Houthis ist bisher nicht eindeutig nachweisbar. Es wurden diverse Vorfälle aufgegriffener Waffenladungen auf Schiffen, die von iranischen Häfen im Golf von Aden unterwegs waren, untersucht, jedoch liegt aufgrund der Routen und des überwachten Telefonverkehrs nahe, dass diese Schiffe nach Somalia unterwegs waren. Nachweise, dass iranische Waffen von dort nach dem Jemen verbracht wurden, konnten nicht erbracht werden.
    Der angebliche Waffentransfer vom Iran zu den Houthis wurde zuerst von Israel massiv behauptet und dann wiederholt in Alarmmeldungen publiziert. Saudi Arabien benützt diese „fake news“ seitdem kontinuierlich, um den Krieg gegen den Jemen und die Blockaden von Lieferungen lebensnotwendiger Ressourcen für die Zivilbevölkerung zu begründen.
  • Der Transfer der jemenitischen Zentralbank nach Aden durch die Regierung Hadi hat eine wirkungsvolle „wirtschaftliche Front“ im Krieg eröffnet und die wirtschaftlichen Kapazitäten der Houthi-Saleh-Allianz in der militärischen Weiterführung des Konflikts sowie der Administration der Gebiete unter ihrer Kontrolle empfindlich beschnitten. Gleichzeitig wurden die für die Bevölkerung lebensnotwendigen Ressourcen so sehr eingeschränkt, dass die drohende humanitäre Katastrophe  beschleunigt wird.

Der Bericht nimmt auch Bezug auf die Tätigkeit der sogenannten Hizam-Verbände, die von den Emiraten als ihre eigene Sicherheitstruppen im „befreiten“ Südjemen eingerichtet wurden und in vier Provinzen aktiv sind. Aus der Bevölkerung kommen zahlreiche Klagen über Übergriffe dieser Truppen, Einschüchterungen, Verhaftungen und z.T. auch Folter. Besonders betrifft dies die sogenannten „Hadramischen Elitetruppen“, deren Einsatz mit Antiterror-Kampf argumentiert werden und die in Geheimgefängnissen routinemäßig foltern. Hier schreibt der Bericht:

„The Panel finds that, even if these individuals were associated with AQAP, the Government is obliged under international humanitarian law and international human rights law to ensure that the Hadrami Elite Forces, or any other forces operating on the ground under the authority and/or control and/or with the consent of the Government, comply with relevant legal requirements and procedural safeguards regarding deprivation of liberty…. Given that the United Arab Emirates also has ground forces operating in Mukalla, its Government has similar obligations. The United Arab Emirates has informed the Panel that the coalition has provided “military, financial and training assistance” and “intelligence, logistic information and aerial intervention” to the Hadrami Elite Forces, which are under the control of the legitimate Yemeni Armed Forces“.

(in deutscher Übersetzung:

“Der Ausschuss  stellt fest, dass selbst wenn einzelne Personen mit AQAP in Verbindung standen, die Regierung gemäß internationaler humanitärer Bestimmungen und der Menschenrechtskonvention verpflichtet ist zu gewährleisten, dass die Hadrami Elitestreitkräfte oder andere mit Billigung, Leitung oder Zustimmung der Regierung agierenden Streitkräfte die gesetzlichen Bestimmungen und verfahrensrechtliche  Sicherheitsmaßnahmen  hinsichtlich Freiheitsberaubung einhalten … Da die VAE auch in Mukalla Streitkräfte einsetzt, unterliegt die Regierung ähnlichen Verpflichtungen. Die VAE hat den Ausschuss informiert, dass die Koalition den Hadrami Streitkräften, die den legitimen jemenitischen Streitkräften unterstehen, militärische, finanzielle und ausbildnerische  Unterstützung“, aber auch „ Geheimdienstinformationen, logistische Informationen  und  Luftangriffe vermittelt hat.“)

Für Verbrechen und Verletzungen von Rechten durch die Hizam-Truppen werden also auch die Emirate haftbar gemacht, auch wenn die Hizam-Kräfte pro forma als jemenitische Regierungskräfte firmieren. In Wirklichkeit übt das Hadi-Regime keine Kontrolle über die Hizam-Truppen aus.

  • Interessant ist auch der minutiöse Bericht über Versuche eines Sohnes von Ali Abdullah Saleh und Bruders von Ahmed Ali Saleh, Khaled Ali Saleh, die über erstere verhängten Sanktionen, insbesondere das Einfrieren von Konten, zu umgehen und Gelder zu waschen. Das Panel hat die Wege der Gelder (insgesamt dreistellige US-Millionen Dollarbeträge) in sechs Banken in sechs Ländern verfolgt. Bei den sanktionierten Houthi-Führern konnten hingegen keinerlei Geld-Bewegungen im Ausland festgestellt werden.
  • Der derzeitige Machtbereich von Ali Abdullah Saleh wird sorgfältig hinterfragt und führt zu dem Schluss, dass Saleh nach wie vor über starke Macht verfügt und dies vor allem über seine in dreißig Jahren aufgebauten Netzwerke innerhalb der Stämme, beim Militär und bei seiner Partei Moutamar. Als in Kriegszeiten besonders wirksam wurden seine engen und stabilen Bindungen zu den gewöhnlich nicht dauerhaft loyalen Stämmen genannt, die er durch geschickte Heiratspolitik seiner zahlreichen Töchter und Söhne gestärkt und stabilisiert hat.
  • Der Bericht beschreibt auch am Beispiel von jeweils 10-12 minutiös nachgewiesen Übergriffen die Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten. Die Fälle wurden durch diverses Dokumentationsmaterial belegt, jedoch wurde es dem Panel nicht erlaubt, vor Ort zu. recherchieren.

Der vollständige UNO-Bericht als pdf

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