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Die Lage im Jemen ist derzeit sehr unübersichtlich. Zwar gibt es die klare militärische Tendenz, dass die Houthis aus den besetzten Gebieten im Süden des Jemen in Richtung Norden verdrängt werden, aber es gibt keine zentrale politische Autorität und keine administrative Struktur, welche für das ganze Land oder auch nur größere Gebiete richtungsweisend wäre.

Die Houthis wurden im Süden vor allem vom „Widerstand“ (muqawama) bekämpft und dieser setzt sich aus verschiedenen, oft oppositionellen Gruppierungen zusammen, von denen die wenigsten Milizcharakter haben: Haraka-Gruppen, die während der Revolutionsbewegung entstanden sind, gemässigte bis radikale Sezessionisten, mehr oder weniger fundamentalistische Schafiiten, und alQaida, der größte bewaffnete Gegner der Houthis.

Als charakteristisch für die Muqawama, die aus den Volkskomitees der Revolution hervorgegangen ist, gilt der Umstand, dass sie ihr Ziel – Familie, Behausung und Wohnviertel vor den Übergriffen der Houthis zu schützen – ausschließlich auf lokaler Ebene verfolgt. Mitglieder der Muqawama sind in der Regel nicht militärisch ausgebildet, haben „schlechte“ Waffen und lassen sich über ihren eigenen Einzugsbereich hinaus nicht für bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Houthis motivieren. Nach der Vertreibung der Houthis haben sie die Verteilung der Hilfsgüter an die unter Nöten und Mängeln leidende Bevölkerung übernommen, was z. B. in Aden relativ gut funktioniert, obwohl einiges auf dem Schwarzmarkt landet.

Präsident Hadi hat in einem Erlass verfügt, dass das gesamte Heer und die Sicherheitskräfte völlig neu aufgebaut und strukturiert werden und dass Mitglieder der Muqawama ein Anrecht auf Aufnahme ins Heer oder in den Sicherheitsapparat haben. Das war ein kluger Schachzug, weil der Erlass die Muqawama an Hadi bindet – was bisher nicht unbedingt der Fall war – und den Männern eine sichere Existenzgrundlage in dieser extrem unsicheren Lage bietet. Aber naturgemäß finden dadurch auch alQaida-Leute Eingang in die bewaffneten Kräfte des Staates.

Die Muqawama ist ein eher urbanes Phänomen und hat in den verschiedenen Städten eine jeweils andere Zusammensetzung. Gemeinsam ist ihr aber, dass sie derzeit die einzige zuverlässige Ordnungskraft ist und nun auch Aufgaben wie die Müllentsorgung, Notreparaturen und soziale Dienste übernommen hat. Die Schulen sind jedoch nach wie vor geschlossen, Krankenhäuser funktionieren wegen Zerstörungen und Mängeln schlecht.

Diese Funktion der Muqawama ist derzeit besonders wichtig, weil in manchen Gegenden alQaida, die Arm an Arm mit den Widerstandsgruppen gegen die Houthis gekämpft hat, nun Macht an sich reißen und dominieren will.

Die schnelle Vertreibung der Houthis aus Aden, der Luftwaffenbasis alAnad und den Südprovinzen Abyan, alDhale und Lahij, sowie darauf folgende auch aus Taizz und Ibb war nur mit der Unterstützung der alQaida und saudischer Luftangriffe sowie Truppen mit Fahrzeugen und Waffenlieferungen aus den Emiraten möglich. Derzeit liegen die Frontlinien aus der Höhe von Taizz und im Osten in Marib. Es gibt aber auch wieder Rückschläge. Houthis sammeln sich an manchen Orten, formieren sich neu und erobern verlorenes Terrain zurück. Die Situation ist daher sehr volatil.

Seit sich der Kriegsherd sukzessive nach Norden verlagert, driften die verschiedenen Gruppen im Süden auseinander – bis zu bewaffneten Feindseligkeiten untereinander. Gleichzeitig gewinnen lokale Führer immer mehr an Einfluss auf Kosten einer fehlenden zentralen Regierung.

Aus Riadh versichert Exil-Präsident Hadi, sich mit Erlässen und drakonischer Härte gegenüber den Houthis und dem jemenitischen Volk als starker Führer zu behaupten. Zu den Roten Linien Hadis gehört die Erfüllung der Resolution 2216 des Sicherheitsrates, die praktisch eine Niederlage und einen vollständigen Rückzug der Houthis indiziert. Außerdem beharrt er auf der die im Februar 2014 übereilt vorgeschlagene föderale Aufteilung des Jemen in sechs Regionen, welche den Eroberungszug der Houthis erst ausgelöst hat. Ausgeklammert bleibt die Frage nach der Zukunft Sana´as.

Während unter anderem Nadia alSakkaf vorschlägt, den Regierungssitz einige Jahre nach Aden zu verlegen, beharrt Hadi auf schnellem Rückzug der Houthis aus Sana´a. In Sana´a haben die Houthis aber viel Anhang und Rückhalt, während Hadi selbst dort wenige Anhänger hat.

Viele Sana´anis sehen der nahen Zukunft mit Bangen entgehen. Denn sollten die Houthis nicht freiwillig die Stadt verlassen, ist mit weiteren Gewalttaten, wenn nicht mit einem Blutbad und Elend der Bevölkerung zu rechnen. Einerseits werden die saudischen Lufteinsätze fortgesetzt, andererseits ist mit dem Einsatz von Bodentruppen der Allianz und daher mit einem Häuserkampf zu rechnen. Hadi setzt aber vor allem auf die Methode, die schon in Aden angewandt wurde:

Totale Belagerung der Stadt Sana´a und Aushungern der Bevölkerung, sowie Blockade von Strom, Wasser, Gas, Benzin und Telekommunikation. Das wird, wie schon in Aden, große Not bei der armen Bevölkerung und wilde Bereicherung der Kriegsgewinnler am Schwarzmarkt nach sich ziehen. Zur Vorbereitung des Belagerungszustands haben Luftangriffe der Allianz dieser Tage den Hafen von Hodeidah völlig zerstört, damit dort Schiffe keine Ladung mehr löschen können. Präsident Hadi hat bei einem kürzlichen Treffen in Kairo mit alSisi um Assistenz bei der Blockade der Rote Meerhäfen ersucht.

Es laufen zwar derzeit unter der Schirmherrschaft des Oman wieder verdeckte Friedensverhandlungen, auch Algerien soll sich dabei engagieren, aber offensichtlich wollen sich Hadi und seine saudischen Patrone, wie schon in Genf, nicht auf Friedensverhandlungen einlassen, bevor nicht der ganze Westen des Jemen darniederliegt.

Etwas eigenartig mutet dabei an, dass Vertreter des Moutamar (GPC) an solchen Verhandlungen stets als Stakeholder teilnehmen. Eigenartig deshalb, weil der Moutamar ja keine politische Partei im üblichen Sinn, sondern eine Vorfeldorganisation von Expräsident Saleh ist und weil er nach dem etappenweisen Ausscheiden diverser führender Mitglieder nur mehr ein Schatten seiner selbst ist und Einfluss nur noch deshalb hat, weil ihm dieser durch die Verhandler gewährt wird. So wie die Lage jetzt aussieht, werden als Gewinner von Krise und Krieg die Islah-Partei, die von Riadh aus die Fäden zieht, und alQAida, der es gelungen ist, sich fester im Volk zu verankern, hervorgehen.

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