Newsletter 18

Am 31.10. berichtete der UN-Sondergesandte für den Jemen, Ismail Ould Scheich Ahmed, vor dem UN-Sicherheitsrat über seine Lagebeurteilung im Jemen. Er musste die Erfolglosigkeit seiner jüngsten Bemühungen eingestehen, weil der dreitägige Waffenstillstand nicht verlängert werden konnte und seitdem das Gewaltpotential der Angriffe weiter anstieg. Sowohl die Houthi-Saleh-Fraktion in Sana´a wie die Exilregierung in Riad haben die neueste Roadmap Scheich Ahmeds abgelehnt.

Dessen Marschroute sah vor, dass ein militärischer und ein Sicherheitsrat gebildet werden, welche die vorgesehenen Schritte wie Rückzug der Ansarallah/Moutamar aus den Städten Sanaa, Taizz und Hodeidah (wer soll wohin gehen?) und die Übergabe der Waffen (an wen?) überwachen sollen. Aufgabe der beiden Gremien wäre es außerdem, die vollständige Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen und die Sicherheit der Bevölkerung und der staatlichen Einrichtungen zu garantieren.

Die Roadmap sieht parallel dazu politische Maßnahmen vor, wie die Ernennung eines Vizepräsidenten (wer ernennt ihn auf Grund welcher Kriterien?) und die Bildung einer Einheitsregierung vorsehen, welche den Übergangsprozess und die Wiederaufnahme des politischen Dialogs leitet, dann den Verfassungsentwurf fertigstellt und schließlich zu Wahlen führt.

Scheich Ahmed führt das Scheitern seiner Roadmap darauf zurück, dass

„the political elite in Yemen remains unable to overcome their differences and prioritize national, public interest over personal interests. It is time for the parties to realize that there can be no peace without concessions, and no security without agreement. They should base their positions on the question of how to ensure security and stability for the Yemeni people.“

Diese Schuldzuweisung an die jemenitische Elite ist sicher korrekt, übersieht aber, dass die Art und Weise, wie die UNO im Jemen zwischen den Konfliktparteien agiert, völlig asymmetrisch und parteiisch ist. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen den jemenitischen Konfliktparteien und den kriegführenden Nationen, die nicht identisch sind.

  • Am UNO-Verhandlungstisch sitzen eben nur die Vertreter der Eliten, die um ihren Machterhalt kämpfen, und nicht die verschiedenen Interessensvertretungen des Südens, neuere politische Parteien, Gruppen der Zivilgesellschaft, Frauen, Minderheiten, regionale Interessensverbände – nämliche jene, welche einen Friedensschluss dringend herbeiführen wollen. Die Verhandlungsführung der UNO forciert demnach den Machtkampf der Eliten und damit die Fortsetzung deren Machtkampfes.
  • Die Kämpfe finden an den Fronten in alJauf, Marib, alBeidha, Lahij, Taizz, an der Rotmeerküste und auf saudischen Territorium statt. Die Krieg führenden Parteien, welche einen Waffenstillstand herbeiführen könnten, verhandeln aber gar nicht miteinander.
  • Dies sind auf der einen Seite der bewaffnete Arm der Houthis und die Saleh-treuen Militäreinheiten, welche einen Großteil des ehemaligen Nordjemen militärisch in Besitz genommen haben. Sie bilden eine relativ klar abgegrenzte militärische Einheit und werden von lokalen Milizen und Stämmen unterstützt.
  • Der Kriegsgegner ist Saudi Arabien, welches unterstützt von den USA, Großbritannien und dem Rest der Koalition einen seit 26.3.2015 andauernden nur sporadisch unterbrochenen Luftkrieg gegen das von den Houthi/Saleh besetzte Gebiet führt und am Boden von einer schwankenden und schrumpfenden Anzahl von diversen Söldnereinheiten, lokalen Milizen der Salafis, der Sezessionisten, Widerstandsgruppen mit sehr verschiedener Motivation und zunehmend von alQaida unterstützt werden. Exilpräsident Hadi ist einerseits völlig abhängig von seinem Gastgeber Saudi Arabien, hat selbst keinen militärischen oder politischen Rückhalt, weder im Nordjemen, noch im Süden, gibt aber vor, die Interessen des Jemen und der Jemeniten legitim zu vertreten. Er ist auch nicht bereit, politische Macht an einen Vizepräsidenten abzugeben, sondern will seine Macht als „international anerkannter Präsident“ behaupten.
  • Die den Luftkrieg führenden Parteien Saudi Arabien, die USA, die Emirate und Großbritannien treffen sich, teils auch mit anderen „Freunden“ des Jemen, zu Gipfeltreffen, auf denen es heißt, der Krieg müsse aufgrund der humanitären Lage schnellstens beendet werden, sie selbst sind aber offensichtlich nicht einmal bereit, über eine Einstellung der Luftangriffe zu verhandeln. Die USA und GB versuchen sich von den Massenbombardements auf Zivilisten im Jemen wegen der Kritik im eigenen Land immer mehr abzukoppeln, doch können saudi-arabische F 16 gar keine Bombenflüge in den Jemen ohne Auftanken durch US-Tankflugzeuge durchführen. Die USA könnten also den Bombenkrieg jederzeit stoppen, wollen es aber offensichtlich nicht.

Die Jemenagenda der UNO steckt wegen der völlig asymmetrischen Konstruktion von Verhandlungsebenen, fehlenden Verhandlungen der realen Kriegsgegner und Roadmaps in einer totalen Sackgasse, aus der zur Zeit kein Ausgang möglich scheint, zumal die UNO im Jemenkonflikt unter massivem Druck und Einflussnahme Saudi Arabiens agiert. Deshalb wird es auch kaum möglich sein, die Resolution 2216 des UN Sicherheitsrates zu revidieren, der die Unlösbarkeit des Konflikts erst zementiert hat. Hinzukommt dass der Jemenkrieg zunehmend eine Stellvertreter- oder Modellfunktion in einer Neuordnung des Mittleren Ostens einnimmt.

Seit Beginn Oktober werden die Kampfhandlungen gegen die jemenitische Zivilbevölkerung immer brutaler und gleichzeitig erhöht sich die Gefahr, dass der Krieg regionale Ausmaße annimmt, ja zu internationalen Konflikten führt, vor allem wenn es um den Schiffsverkehr im Roten Meer geht.

Am 1. Oktober beschossen die Houthi/Saleh-Verbände von der südlichen Rotmeerküste ein Militärschiff der VAE und beschädigten es schwer. Am 8. Oktober bombardierten die Saudis – mit US-Unterstützung – eine Begräbnisfeierlichkeit im Zentrum von Sana´a. Ziel war offensichtlich Ali Abdullah Saleh (der wohl im Ausgleich zum Machtverlust Hadi ausgeschaltet werden sollte, jedoch nicht anwesend war), sowie die Führungsriege des Moutamar und der Houthis. Mehr als 150 Personen, vor allem die Elite der Houthis und des Moutamar, starben im Doppelschlag, mehr als 500 wurden verletzt. Dann reklamierte der US-Zerstörer USS Masson, dreimal mit Geschossen von der jemenitischen Westküste angegriffen worden zu sein und zerschoss in Folge drei Radaranlagen der Houthi/Saleh. Offensichtlich befürchtete man dann doch eine internationale Eskalation im Roten Meer und die USA zogen die Behauptung zurück, es habe sich um Geschosse der Houthi-Saleh gehandelt. Man wusste nun nicht mehr, von wo die Geschosse und ob überhaupt welche auf die US-Masson abgefeuert wurden. Der vorläufig letzte Schlag ist eine Scud-Raketenattacke der Houthis in Richtung Mekka-Jeddah. Die Houthis behaupten, sie wollten den Militärflughafen in Jeddah treffen, von wo Bombenflüge in den Jemen starten. Saudische Medien hingegen behaupteten, der Raketenangriff, den sie abgewehrt hätten, sei auf die Kaaba in Mekka gerichtet gewesen und benützen diese Behauptung um massive antischiitische Propaganda in sunnitischen Ländern zu schüren.

Unterdessen eskaliert die humanitäre Situation unaufhörlich und wird durch von Hadi angeordnete Maßnahmen, wie die Verlegung der jemenitischen Zentralbank nach Aden (wo sie sogleich überfallen wurde) drastisch verschlimmert. Die öffentlichen Bediensteten, welche einen großen Teil der Arbeitnehmer stellen, haben seit zwei Monaten keine Gehälter erhalten, die Cholera breitet sich aus, die Zahl der schwerst unterernährten Kinder und Erwachsenen steigt ständig. Mehr als drei Millionen Menschen sind nun innerhalb des Landes auf der Flucht.

Und hier die Originalversion von Schech Ahmeds Uno Text

“The Roadmap foresees the creation of military and security committees, which would supervise withdrawals and the handover of weapons in Sanaa, Hodeida and Taiz. The committees would also be tasked with ensuring the complete end of military violence and the safety and security of the population and state institutions. The Roadmap also lays out interim political arrangements including the appointment of a new Vice President and the formation of Government of National Unity which would lead Yemen’s transition process and oversee the resumption of political dialogue, completion of the constitutional process and ultimately elections. I was informed, unofficially, that the parties have rejected the Roadmap. This demonstrates that the political elite in Yemen remains unable to overcome their differences and prioritize national, public interest over personal interests. It is time for the parties to realize that there can be no peace without concessions, and no security without agreement. They should base their positions on the question of how to ensure security and stability for the Yemeni people.

I should add that the worsening economic situation threatens to create a far greater humanitarian crisis in the coming months if urgent action is not taken. Salary payments for most civil servants have already ceased. This was a primary source of income for much of the population. Unless they are continued quickly, many more Yemenis will face destitution and be forced to rely on humanitarian aid to survive. There should be a commitment from all parties, including the Government of Yemen, the Houthis and GPC to collaborate to ensure the continued functioning of the Central Bank and a rapid resumption of salaries throughout the country.

Mr. President,

Despite the International Community’s calls for the Yemeni parties to fully commit to the peace process, the parties continued to embark on unilateral actions, which risk undermining the prospects for peace. On 2 October, the High Political Council established by the Houthis and GPC, asked the former Governor of Aden  to form a new government. President Hadi’s decision to replace the Governor of the Central Bank and relocate the Bank to Aden has created further economic uncertainty at a time when urgent measures to save the economy are necessary. Prime Minister Ahmed bin Dagher announced via social media plans to convene the National Body to ratify the draft constitution. I urge the parties to refrain from taking any further measures, which will only complicate reaching a negotiated settlement to put Yemen on the path to peace.

I conducted extensive consultations with the Yemeni parties and members of the international community over the last few weeks, and presented the parties with a comprehensive and detailed roadmap to end the conflict. The roadmap is consistent with Security Council resolution 2216 (2015) and other relevant resolutions, the GCC Initiative and its Implementation Mechanism, and the Outcomes of the National Dialogue Conference. The Roadmap contains a set of sequenced political and security steps, conducted in parallel, which would help Yemen return to a peace and orderly political transition.”

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